Menschen & Gemeinschaft

Betriebsausflug

Beliebter Ausflugsort: Der Carler Teich wurde bereits Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt und versorgte einst die Erzgrube Unüberwindlicher Kaiser Carl mit Wasser.

Der Wasser-Marsch

Text Gerd Schild – Fotos Moritz Küstner

Die Oberharzer Wasserwirtschaft ist UNESCO-Weltkulturerbe. Die große Ingenieurskunst lässt Gäste bis heute staunen und gibt Einblicke in die Bergwerksarbeit von einst. Die Teiche und Kanäle sind aber auch eine tolle Kulisse für kleine und große Wanderungen. Denn die 22 Oberharzer Wasserwanderwege führen durch eine einmalige Landschaft im Harz.

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Organisiert eine Wanderung zu den Harz-Orten mit Ausblick und Geschichte: Christian Leutloff.

Christian Leutloff kennt sich aus mit hohen Bergen. Sechsmal war er schon in Nepal auf knapp 6.000 Metern Höhe wandern, wo die Luft arg dünn wird, das ist nicht ohne. Sein Trainingsgebiet ist allerdings etwas flacher: Der Rammelsberg, der direkt hinter seinem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1750, mit langer Geschichte und niedrigen Decken, in der Kaiserstadt Goslar beginnt.

Leutloff, Jahrgang 1961, hat den aktiven Bergbau im Harz schon als Kind erlebt. Der gelernte Elek­tro­ni­ker arbeitet heute beim Chemieunternehmen H. C. Starck in Goslar. Als 1997 die Gewerkschaften Bergbau und Chemie fusionierten, lernte Leutloff viele Bergleute kennen einige sind seine Freunde geworden. „Bergleute sind herzliche, raue Menschen“, sagt Leutloff. Er schätzt die ehrliche, direkte Art. Man sagt einander die Meinung, und dann ist auch wieder gut. Mit dem Kontakt zu den Bergleuten hat sich Leutloff auch immer mehr für die Geschichte des Bergbaus interessiert. Er weiß, dass die Fichte im Bergbau besonders gefragt war – weil sie, anders als etwa Eichenholz, knackt, bevor sie bricht.

Christian Leutloff hat die Ortsgruppe der IGBCE in Goslar bis 2008 geleitet, ist bis heute im Vorstand. Ihr traditionelles Grünkohlessen gilt als legendär, Politgrößen wie Sigmar Gabriel, Olaf Scholz, Manuela Schwesig oder auch Joachim Gauck waren schon hier. Als Bildungsobmann hat Leutloff über Jahre viele Themennachmittage organisiert zu Altersvorsorge, Krankenversicherung oder auch der Bedeutung von Wahlen. „Wir haben immer viel bewegt“, sagt Leutloff. Immer wieder hat er auch Tagestouren, Wanderungen und Busreisen organisiert. Ins EU-Parlament, nach Berlin, und natürlich immer wieder in den heimischen Harz.

Das UNESCO-Weltkulturerbe Oberharzer Wasserwirtschaft

Tscherperessen im ehemaligen Pumpenhaus

So wie Ende August. Dann werden sich die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter um Christian Leutloff wieder auf den Weg machen genauer auf den Harzer Wasserwanderweg mit der Nummer zwölf. Vom Parkplatz Entensumpf an der B 242 geht es los, vorbei am Hirschler Teich und am Jägersbleeker Teich bis zum Polsterberger Hubhaus. Dort machen sich die Gewerkschaftsmitglieder dann ans Tscherperessen, eine rustikale Bergmannsmahlzeit, benannt nach dem Allzweckmesser der Harzer Bergleute. Das kann man bei diesem Picknick auch gut gebrauchen, um etwa die Harzer Schmorwurst oder den berühmten Harzer Roller in mundgerechte Stücke zu schneiden. Nach der Pause geht die Wanderung dann weiter über den Huttaler Graben zur Huttaler Widerwaage. Leutloff hat sich zur Vorbereitung intensiv mit der Oberharzer Wasserwirtschaft beschäftigt. „Mich fasziniert das sehr“, sagt er.

Die Oberharzer Wasserwirtschaft gilt als das weltweit größte System der Energiegewinnung, Energiespeicherung und Energieverteilung der vorindustriellen Zeit. Teiche, Gräben und Wasserläufe ziehen sich durch die Landschaft des Oberharzes. Das Wasser lieferte Energie, trieb etwa Räder an, die für die Erzförderung im Harz entscheidend waren. Erste Teile wurden schon im Mittelalter angelegt und bis ins 20. Jahrhundert weiterentwickelt. Zum Welterbe gehören heute 310 Kilometer Wassergräben und 30 Kilometer Wasserläufe – so werden Stollen genannt, die das Wasser unter Tage durch die Berge leiten. Mit meist nur moderatem Gefälle eignen sich die 22 als Wasserwanderwege ausgeschriebenen Pfade entlang des Wassers auch für nicht austrainierte Wandersleute. Überall plätschert es, man sieht viele Überreste der alten Technik, noch manches Wasserrad und man kann auf Schautafeln vieles lernen.

Zum UNESCO-Welterbe gehören heute auch 310 Kilometer Wassergräben.

Industrielles Denkmal: Der Ottiliae-Schacht in Clausthal-Zellerfeld mit seinem Förderturm von 1878.

Die Arbeit im Berg schweißt zusammen

Kai Rückbrodt war der Nachfolger von Christian Leutloff und hatte das Amt des Ortsgruppenleiters von 2008 bis April 2014 inne. Auch Rückbrodt wurde im Harz geboren und kennt die Berge – im wahrsten Sinne. Er war 15, als er vor der Frage stand: Was will ich eigentlich werden? Automechaniker, das hätte ihn gereizt. Aber viele Freunde zog es in den Berg, und so lernte auch Kai Rückbrodt in der Lehrwerkstatt der alten Bleihütte Oker den Beruf des Bergmanns. Schmieden, Schweißen, Elektrotechnik, die Ausbildung zum Bergmann ist vielfältig. „Gutes Geld, tolle Ausbildung, das hat mich gereizt“, sagt der heute 58-Jährige. Mehr als 20 Jahre hat er unter Tage gearbeitet, viele Jahre davon in Bad Lauterberg. Das dortige Bergwerk, die Grube ­Wolkenhügel, stellte 2007 den Betrieb ein, Rückbrodt wechselte schon vorher ins heutige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Dort ist er sozialpolitischer Beirat, also Ansprechpartner für heute noch aktive Bergleute in Niedersachsen, etwa aus dem Salzbergwerk bei Helmstedt.

Die Kameradschaft unter Bergleuten findet sich so in keinem zivilen Beruf wieder, glaubt Rückbrodt. Das liege auch daran, dass die Arbeitsbedingungen und die Schicksale zusammenschweißen. Schicksale wie im Jahr 1989, als der beste Freund von Kai Rückbrodt unter Tage tödlich verunglückte. Neben dem Respekt vor der gefährlichen Arbeit war für Rückbrodt aber besonders das fröhliche Miteinander der Bergleute prägend. Er kann manche Anekdote erzählen. Etwa, dass sie in seinem Revier immer am Freitag in der Nachtschicht gegrillt haben. Durch den Wetterzug, wie man den Luftabzug unter Tage nennt, gelang der Geruch auch in die Nachbar­reviere. Und dann kam es schon mal vor, dass einer der riesigen Radlader vorbeikam, zehn Mann in der Schaufel – Gäste für das Grillbuffet. „Wir hatten eine gute Zeit“, sagt Rückbrodt heute.

Die Harzer Wasserwirtschaft besteht heute noch aus 310 Kilometern Wassergräben und ist UNESCO-Weltkulturerbe.

Großer Kellerhals-Teich: Teiche waren zentral für die Wasserwirtschaft heute sind sie Badestellen, Biotope oder Trinkwasserreservoirs.

Viel lernen: Blick in den Freiluftbereich des Oberharzer Bergwerksmuseums.

Im Oberharzer Bergwerksmuseum in Clausthal-Zellerfeld lässt sich bis heute erfahren, wie früher im Harz Silber-, Blei- und Zinkerze gefördert wurden.

Natürliche Kraft: Wasser trieb den Bergbau im Harz über Jahrhunderte an.

Die Kulturlandschaft Harz, vom Menschen mehr geprägt, als man das auf den ersten Blick sieht.

Wald und Wasser prägen den Oberharz ein ideales Wandergebiet.

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Der Bergbau ist mit dem Harz untrennbar verbunden auch wenn heute kein Eisenerz oder andere Dinge mehr aus dem Berg geholt werden. „Wenn ich zum Schlachter gehe, grüße ich mit ‚Glück auf‘“, sagt Rückbrodt und lacht. Es ist der Bergmannsgruß. Rückbrodt ist viel mit dem Motorrad unterwegs im Harz oder, wenn die Straßen an den Wochenenden arg voll sind, auch mit dem E-Mountainbike abseits der asphaltierten Wege. Sein Lieblingsweg: der Huttaler Graben zum Dammhaus. Ein Zufall, aber er ist Teil der IGBCE-Wanderroute, die sein Kollege Leutloff im August geplant hat. Kollege Rückbrodt gerät ins Schwärmen: „Hier im Harz sind unglaubliche Innovationen entstanden und hier wurde genauso unglaublich harte Arbeit geleistet.“

Die Oberharzer Wasserwirtschaft, das ist mehr als ein paar Gräben und nette Wanderwege. Das kann man im beeindruckenden Oberharzer Bergbaumuseum in Clausthal-Zellerfeld lernen, das über ein Schaubergwerk, eine große Sammlung und einen Freiluftbereich verfügt. Dort wird sich die Ortsgruppe Goslar im August vor der Wanderung treffen.

Idyll und Ingenieurskunst: das Wasserrad am Carler Teich war zentraler Teil der Bergwerksarbeit.

Bewegte Geschichte: Modell eines Harzer Erzbergwerks im Erdgeschoss des Oberharzer Bergbaumuseums in Clausthal-Zellerfeld.

Ulrich Reiff, Leiter des Oberharzer Bergbaumuseum in Clausthal-Zellerfeld.

Der Museumsleiter entdeckt das wohl größte Exponat

Am eindrücklichsten ist das aber wohl in den Rosenhöfer Radstuben am Stadtrand von Clausthal zu betrachten. Hier führt kein Wanderweg hindurch, zu gefährlich, auch wenn Ulrich Reiff, Leiter des Bergbaumuseums, das schade findet. Die Radstube sieht aus wie ein überdimensionierter Brunnen, in dem früher ein hölzernes Kehrrad mit acht Metern Durchmesser den Förderkorb antrieb und das Silbererz nach oben transportierte. Ulrich Reiff steht hier in 20 Metern Tiefe auf der Sohle. Es ist für ihn ein besonderer Ort, denn er hatte die Radstube Anfang der 1990er-Jahre mit anderen Ehrenamtlichen vom Oberharzer Geschichts- und Museumsverein entdeckt und damit ein Stück Geschichte offengelegt. Geschichte, die man heute bestaunen kann und die ganz nebenbei Kulisse ist für die Wasserwanderwege im Oberharz.

Guide: Oberharzer Wasserwirtschaft

Wanderung Huttaler Widerwaage
Weitere Information unter der Karte.

Wanderung Hirschler Teich
und Pfauenteiche
Weitere Information unter der Karte.

Oberharzer Bergwerksmuseum
Weitere Information unter der Karte.

Hotelempfehlung
Waldhaus Wolfsbachmühle
Wolfsbachmühle 1
38700 Braunlage-Hohegeiß
DZ ab 112 Euro mit Frühstück
wolfsbachmühle.de

Hotelempfehlung
Hotel Goldene Krone
Kronenplatz 3
38678 Clausthal-Zellerfeld
DZ ab 97 Euro mit Frühstück
goldenekrone-harz.de

Hotelempfehlung
Mühl Vital Resort
Ritscherstraße 1–3
37431 Bad Lauterberg
DZ ab 97 Euro mit Frühstück
muehlvitalresort.de

Gastronomie
Polsterberger Hubhaus
Harzer Gerichte und traumhafte Ausblicke
(Clausthal-Zellerfeld)
polsterberger-hubhaus.harz.de

Gastronomie
Waldgaststätte Rinderstall
Harzer Küche im autofreien Wanderlokal
(St. Andreasberg)
gaststaette-rinderstall.de

Gastronomie
Restaurant Zwei Jahreszeiten
Moderne Küche mit
exzellenten Fleischgerichten
(Bad Harzburg)
zweijahreszeiten.com

Wanderung Huttaler Widerwaage
Der Weg führt vom Parkplatz Entensumpf als sieben Kilometer lange Runde an zwei Teichen vorbei zum Polsterberger Hubhaus. Danach geht es weiter zur Huttaler Widerwaage.

Wanderung Hirschler Teich
und Pfauenteiche

Noch mehr Wasser bietet diese fünf Kilometer lange Wanderung. Es geht vorbei am Hirschler Teich und an den drei Pfauenteichen. Im ersten, dem Oberen Pfauenteich, darf auch gebadet werden.

Oberharzer Bergwerksmuseum
In Clausthal-Zellerfeld befindet sich dieses Museum, das einen umfassenden Einblick in die Bergbaugeschichte des Harzes bietet. Es erklärt die Techniken der Erzgewinnung und die Bedeutung der Wasserwirtschaft für den Bergbau.
oberharzerbergwerksmuseum.de