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Arbeitgebercheck

Foto: picture alliance/Sven Simon | Frank Hoermann

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Luxus?

Text Katja Pflüger

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Koffer von Rimowa sind weltweit bekannt und mittlerweile ein Luxusobjekt. Bis heute werden die bekannten Rillenkoffer mit viel Handarbeit in Köln gefertigt. In vielen Bereichen hat der neue Eigentümer LVMH seit der Übernahme 2017 seine Handschrift hinterlassen. Doch der Weg zur erstklassigen Arbeitgebermarke ist noch weit.

Rimowa

Früher Bedarfsartikel für die Reise, heute ein Lifestyle­objekt Koffer von Rimowa haben es aus Köln in die ganze Welt geschafft. Als kleines familiengeführtes Unternehmen gegründet, gehört der Kofferhersteller heute zu den bekanntesten Marken Deutschlands. Die Produkte sind Kult, teuer und gelten als Statussymbol. Die Erfolgsgeschichte beginnt 1898 in Köln-Müngersdorf: Als Gründer Paul Morszeck seine Koffermanufaktur eröffnet, fertigt er die Koffer noch aus Holz an. Ende der 1930er-Jahre produziert sein Sohn Richard Morszeck den ersten Überseekoffer aus Leichtmetall. Er lässt sich den Namen Rimowa als Ableitung von RIchard MOrszeck WArenzeichen patentieren. 1950 bringt das Unternehmen die ersten Aluminiumkoffer mit der berühmten Rillenoptik auf den Markt, die Rillen werden schnell zum optischen Markenzeichen. In den 1970er-Jahren folgen die ersten wasserdichten Leichtmetallkoffer, im Jahr 2000 superleichte Kunststoffkoffer aus Polycarbonat. 2017 verkauft der Enkel des Unternehmensgründers, Dieter Morszeck, 80 Prozent der Anteile an Rimowa an den französischen Luxuskonzern LVMH, zu dem unter anderem exklusive Marken wie Louis Vuitton, Givenchy, Fendi und Dior zählen. Rimowa wird zur Luxusmarke.

Gründung 1898 von Paul Morszeck als Koffer- und Lederfabrik in Köln-Müngersdorf

Rechtsform GmbH

Eigentümer seit 2017 der französische Luxusgüterkonzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy)

Umsatz (2022) 276,5 Mio. Euro

Gewinn (2022) 39,8 Mio. Euro

Beschäftigte rund 750 in Deutschland

Standorte Köln (Unternehmenssitz, Produktion), 13 Stores in Deutschland, weitere Produktionsstätten in Tschechien, Kanada und Brasilien

Arbeitsumgebung

Rimowa ist seinen Wurzeln stets treu geblieben. Es herrscht immer noch der Geist eines Familienunternehmens, auch wenn die Geschäfte seit der LVMH-Übernahme stärker aus Paris gelenkt werden. Der Stammsitz befindet sich im Nordwesten von Köln im Stadtteil Ossendorf. Dort werden in viel Handarbeit die bekannten Koffer mit dem firmentypischen Rillendesign hergestellt, das selbst das Gebäude ziert.
Die Franzosen wollen verstärkt in den Aus- und Umbau des Standortes investieren, zum Beispiel in neue Sozialräume sowie moderne Lüftungstechnik mit Klimaanlage. Ergonomisch gestaltete Produktionslinien mit höhenverstellbaren Maschinen sorgen bereits für mehr Arbeitssicherheit, Wohlbefinden und Gesundheitsschutz – gerade in der Produktion, wo noch viel Handarbeit gefragt ist. Auch eine Erweiterung des Standortes steht im Raum, scheitert bisher aber an der Baugenehmigung der Stadt Köln.
In der Produktion gelten in der Tagschicht feste Arbeitszeiten, in der Verwaltung Gleit- beziehungsweise Flexzeit. Die Wochenarbeitszeit von 39 Stunden bei einer Fünftagewoche ist in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt. Diese ermöglicht es den Produktionsbeschäftigten, auf einem Zeitkonto bis zu einer gewissen Höhe Stunden anzusammeln, etwa durch die sogenannte Vorholzeit oder freiwillige Überstunden.

Betriebsklima

Die Stammbelegschaft am Unternehmenssitz in Köln und in den deutschen Stores zählt rund 750 Beschäftigte. Ein Großteil von ihnen arbeitet in der Vorfertigung, der Endmontage, der Logistik und in der Verwaltung. Dazu kommen noch etwa einhundert Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die in der Produktion aushelfen, sowie 15 Auszubildende. Sie alle verbindet ein gewisser Stolz, bei Rimowa zu arbeiten. Der überwiegende Teil der Belegschaft ist dem Unternehmen seit Jahren treu, die Fluktuation hält sich in Grenzen.
Besonders herausfordernd war die Corona-Zeit: Während der Pandemie arbeiteten die Beschäftigten anderthalb Jahre in Kurzarbeit – Reiseverbote und Lockdown setzten dem Unternehmen zu. Als das Reisen dann wieder möglich war, mussten die Beschäftigten vom einen auf den anderen Tag von null auf hundert Prozent umschalten. Überstunden und Wochenendarbeit waren an der Tagesordnung. Das sorgte für einen hohen Krankenstand. Mittlerweile hat sich die Situation wieder normalisiert.
Das Unternehmen bietet den Beschäftigten zahlreiche Benefits wie vergünstigte Tickets für Veranstaltungen in Köln, eine Kantine, spezielle Versicherungen und betriebliche Gesundheitsleistungen. Außerdem profitieren die Beschäftigten von einem dauerhaften Mitarbeiterrabatt von 30 Prozent auf die Produkte.

Mitbestimmung

In Sachen Mitbestimmung gibt es bei Rimowa durchaus noch Luft nach oben. Es gibt zwar einen Betriebsrat, das elfköpfige Gremium besteht jedoch mehrheitlich aus Führungskräften und Mitgliedern, die nicht in der Produktion tätig sind. Diese besondere Konstellation führt dazu, dass es manchmal schwierig ist, Themen zu besprechen und schließlich auch im Sinne der Beschäftigten durchzusetzen, die vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Produktion betreffen. Außerdem zeichnet sich die Mehrheit des Betriebsrates nicht durch eine große Gewerkschaftsnähe aus ganz anders in der Produktion. Dort sind rund 70 Prozent gewerkschaftlich organisiert.
Betriebsrat und Unternehmen sind nicht immer einer Meinung, dem Betriebsrat werden aber keine Steine in den Weg gelegt. Betriebsversammlungen werden regelmäßig durchgeführt – jedoch mit deutlich mehr Redeanteilen der Geschäftsführung als von Betriebsrat und Gewerkschaft. Die IGBCE wird zwar respektiert, kommt aber nicht immer zu Wort. Allerdings geben der jüngste Geschäftsführerwechsel sowie eine neue Personalchefin Anlass zu Hoffnung, die „Neuen“ sind bislang offener für ­gewerkschaftliche Themen. Neben dem Betriebsrat gibt es noch einen Jugend- und Auszubildendenvertreter (JAV), der die Interessen der ­Auszubildenden vertritt.

Tarifbindung

Rimowa gehört zum Tarifbereich der Lederwaren-, Kunststoffwaren- und Kofferindustrie, in dem insgesamt gut 5.000 Beschäftigte tätig sind, und ist seit jeher tarifgebunden. Der letzte Tarifabschluss aus dem vergangenen Jahr brachte durch eine zweistufige Erhöhung um einen Festbetrag von 250 Euro gerade den Beschäftigten in den unteren Entgeltgruppen mehr Geld im Portemonnaie. Außerdem wurde die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie von 2.000 Euro in zwei Tranchen vereinbart.
Im Vergleich zu anderen Branchen sind die Entgelte für einen Luxuskonzern trotzdem eher mau. Der geltende Flächentarifvertrag, der noch bis Ende Juli 2025 läuft, bedarf dringend einer Überarbeitung, viele Regelungen sind nicht mehr zeitgemäß. Hier ist der Arbeitgeber gefordert, sich über seinen Verband einzu­bringen.
Um für Arbeitskräfte attraktiver zu sein, gestaltet das Management deshalb seine eigene betriebliche Einkommenspolitik am Tarifvertrag vorbei. Ergebnis ist das Unternehmensprogramm „Rise“, das den Beschäftigten auf Basis des Jahresgesprächs eine Zulage von bis zu neun Prozent auf das Grundgehalt beziehungsweise Tarifgehalt ermöglicht.

Zukunftsfähigkeit

Rimowa ist das erste deutsche Unternehmen, das der LVMH-Konzern übernommen hat. Hohe Qualität und Langlebigkeit sind und bleiben das oberste Gebot; der Eigentümer will damit seine Luxusstrategie konsequent durchsetzen. Seit Juli 2022 bietet das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden selbstbewusst eine lebenslange Garantie auf alle beweglichen Teile der Rollkoffer an. Egal ob Verschluss oder Rollen: Im Fall eines funktionellen Schadens – das bedeutet keine normalen Abnutzungserscheinungen werden die Teile kostenlos ersetzt oder repariert. Das weltweite Filialnetzwerk garantiert schnelle Hilfe. Der Unternehmensführung geht es vor allem um Reparierbarkeit und Nach­haltigkeit.
Neu ist seit der Übernahme die Vertriebsstrategie. In vielen Großstädten weltweit gibt es nun eigene Flagship-Stores. Händler müssen hohe Hürden in Bezug auf Mindestumsatz und Produktpräsentation nehmen. Wer die nicht erfüllt, darf Rimowa-Koffer nicht verkaufen. Werbekampagnen und Kooperationen mit anderen Luxusmarken wie Dior oder Tiffany & Co. sorgen regelmäßig für einen medialen Boom und lange Schlangen vor den Stores. Berühmt geworden ist die Marke für ihre Kooperationen mit Lufthansa und Porsche. Und auch die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Herren reist seit Jahren mit Rimowa-Koffern zu Turnieren.

Das sagt Rimowa

Das Unternehmen hat die Anfragen von Profil bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen und keine Stellung bezogen.

Unser Fazit

Noch ist nicht alles Luxus beim Luxuskofferhersteller Rimowa – auch wenn sich das Unternehmen nach außen hin gut verkauft. Aber Arbeitsbedingungen und Bezahlung bieten durchaus Raum für Verbesserungen. Um die hohe Qualität der Produkte auch weiterhin zu gewährleisten, braucht auch das Traditionsunternehmen qualifiziertes und motiviertes Personal. Und zwar in einer Region, in der nicht nur Fachkräfte-, sondern Arbeitskräftemangel generell herrscht. Das bekommt man nicht umsonst. Immerhin hat das mittlerweile auch der französische Eigentümer verstanden und bietet den Beschäftigten eine Reihe von Benefits. Was noch fehlt, ist die Einsicht, dass gute Arbeitsbedingungen, eine faire Bezahlung, Gesundheitsschutz und die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit nur gemeinsam mit der Gewerkschaft möglich sind.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.