Eine Krise sieht anders aus!
In der Chemie-Tarifverhandlung Baden-Württemberg nannte Verhandlungsführerin Catharina Clay gemeinsam mit den Mitgliedern der Tarifkommission zahlreiche betriebliche Beispiele, die allesamt die Forderungen der Tarifrunde substanziell begründeten.
Geht es nach dem Chemie-Arbeitgeberverband Baden-Württemberg, befindet sich die Branche, die 2023 gegenüber 2020 um 15 Prozent (Chemie) beziehungsweise 27 Prozent (Pharma) in den Umsätzen zulegte, seit Jahren im Krisenmodus. „Schon 2019 sprach Ihr damaliger Hauptgeschäftsführer von einer Krise. Jetzt sprechen Sie sogar von einer Krisentarifrunde“, kritisierte IGBCE-Landesbezirksleiterin und Verhandlungsführerin Catharina Clay schon zu Beginn der Tarifverhandlung die Arbeitgeberseite. „Ich nenne Ihnen ein Zitat: ,Wir bei Boehringer Ingelheim gehen mit großer Zuversicht in das Jahr 2024.‘ Diese Aussage stammt von Christian Boehringer in seinem eigenen Geschäftsbericht.“
Evonik verkünde, seine Prognose zu erreichen und das Ergebnis zu steigern. Und ebenfalls aus den Medien entnahm Clay die Bekanntgabe von Roche, dass auch nach dem Pandemieboom die Umsätze wüchsen. In aller Deutlichkeit wies Clay die Behauptung der Arbeitgeber zurück, die Entgelte seien 2024 mit Zahlung der Inflationsausgleichsprämie bereits gestiegen: „Das hat mit der laufenden Tarifrunde absolut nichts zu tun. Wir verhandeln hier nicht Teile des Abschlusses von 2022 nach!“
Catharina Clay untermauerte die Forderung nach sieben Prozent höheren Entgelten mit der Realität, die die Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus den Betrieben melden: Demnach gehen drei von vier Befragten davon aus, dass 2024 ähnlich oder besser verlaufen werde als das vergangene Jahr. Bei der Gewinnerwartung für dieses Jahr erwarten nur acht Prozent echte Verluste. „Dass es in Baden-Württemberg nur krisengeschüttelte Betriebe geben soll, können wir ganz und gar nicht erkennen“, stellte sie klar. Und selbst wenn, habe man in der Vergangenheit immer gemeinsam Lösungen für die Betriebe gefunden, die tatsächlich Verluste erlitten. „Die Wirklichkeit ist, dass wir unser Umsatzziel für 2025 bereits im vergangenen Jahr erreichten. Es geht uns blendend“, so Tarifkommissionsmitglied Daniel Becker, zugleich Betriebsrat bei Boehringer Ingelheim in Biberach. „Wir, und viele andere Unternehmen auch, hätten weitaus mehr fordern können“, richtete er an die Arbeitgeber.
Klar begründete Tarifkommissionsmitglied und Roche-Konzernbetriebsratsvorsitzende Beate Nörenberg die Forderung nach einem Mitgliederbonus: „Als Gewerkschaftsmitglieder stehen wir für die Sozialpartnerschaft und nicht für Streik, um bessere Arbeitsbedingungen zu erzielen. Unsere Mitglieder sind dafür verantwortlich, dass dies auch weiterhin Bestand hat. Deswegen benötigen wir deren Wertschätzung und Besserstellung, damit das auch so bleibt. Wir haben als Sozialpartner ein gemeinsames Interesse, deshalb müssen wir an einer Lösung interessiert sein, damit der Frieden in den Betrieben bestehen bleibt, bestenfalls vorangetrieben wird.“
Christoph Huchler, Betriebsratsmitglied bei Boehringer Ingelheim in Biberach, wies auf die dringende Notwendigkeit hin, den 1987 abgeschlossenen Bundesentgelttarifvertrag (BETV) zu modernisieren. „Die Inhalte der heutigen Ausbildung von Pharmakantinnen und Pharmakanten sind aufgrund modernerer Maschinen deutlich komplexer geworden“, nannte er ein Beispiel. Ebenso thematisierte er die akademische Ausbildung, die bei Einstiegsgehältern gar nicht berücksichtigt werde. „Der BETV braucht dringend ein Update, wenn wir weiterhin unseren Nachwuchskräften sichere und attraktive Arbeitsplätze bieten möchten.“
Mehr Infos gibt’s hier: chemie2024.de