Vor Ort

Hessen-Thüringen

IGBCE-Mitglieder diskutieren in Hofheim mit Oliver Heinrich (links), Verhandlungsführer Chemie auf Bundesebene, und Landesbezirksleiterin Sabine Süpke (Zweite von links) über die Forderungsempfehlung.

Foto: Peter Kaplan

Das fordert Hessen

Text Wolfgang Lenders

Tarifrunde Chemie: IGBCE Hessen-Thüringen fordert mindestens 7 Prozent mehr Entgelt, mindestens 100 Euro höhere Ausbildungsvergütungen, Tarifextras für Mitglieder und ein Update des Bundesentgelttarifvertrags.

In der Tarifrunde Chemie hat am 20. März die Tarifkommission für Hessen ihre Forderung für die rund 105.000 Beschäftigten der chemischen und pharmazeutischen Industrie im Land beschlossen: Mindestens sieben Prozent höhere Entgelte, mindestens 100 Euro mehr für Azubis, tarifliche Regelungen für Wertschätzung und Besserstellung exklusiv für IGBCE-Mitglieder sowie einen modernisierten Bundesentgelttarifvertrag.

Vorangegangen sind intensive Diskussionen mit den Vertrauensleuten und den Mitgliedern in den Betrieben. In Hofheim stellten sich Oliver Heinrich, Verhandlungsführer auf Bundesebene, und Sabine Süpke, Verhandlungsführerin für Hessen, den Fragen der Mitglieder – bei der Mitmachkonferenz des Bezirks Rhein-Main. In diesem Bezirk der IGBCE ist die Branche einer der wichtigsten Arbeitgeber.

Die Lage ist angespannt: Die Inflation sorgt dafür, dass die Beschäftigten für ihr Einkommen immer weniger kaufen können. Gleichzeitig berichten die Unternehmen, dass die wirtschaftliche Lage schwierig sei.

Die Forderung bringt die Ergebnisse der Diskussionen und die unterschiedlichen Wünsche zusammen. „Bei uns steht der Mitgliederbonus an erster Stelle“, berichtet etwa Tarifkommissionsmitglied Nadine Priesching. Sie arbeitet bei Degudent in Hanau. „Es muss etwas passieren, dass die Mitglieder endlich mal einen Vorteil haben.“

Bei Merck in Darmstadt ist die Stimmung eindeutig. „Wenn wir uns die letzten fünf Jahre anschauen, haben wir Umsatz und Gewinn pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter deutlich gesteigert. Die Leute wollen jetzt einfach ihren Teil davon haben“, sagt Sascha Held, Mitglied der Tarifkommission.

Die von Arbeitgeberseite geäußerte Idee, dass eine Nullrunde angemessen wäre, weist Verhandlungsführerin Sabine Süpke weit von sich: „Das Bild der Branche ist weitaus bunter, als die Arbeitgeber es malen.“ Schwierig sei die Lage allein bei den energieintensiven Industrien, die Geschäfte der Konsumgüter- und der Pharmaindustrie liefen glänzend. „Insgesamt werden die Dividenden wieder reichlich fließen“, sagt Sabine Süpke. „Den Beschäftigten steht ihr Anteil am Erfolg zu.“

Neben mehr Geld will die IGBCE tarifliche Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder durchsetzen. Außerdem fordert die Tarifkommission ein Update des geltenden Bundesentgelttarifvertrags (BETV) aus dem Jahr 1987. „Hier herrscht ein gewaltiger Modernisierungsstau“, stellt Sabine Süpke fest. „Wir müssen jetzt endlich die Realitäten des 21. Jahrhunderts abbilden.“

Die erste Tarifverhandlung für Hessen ist am 19. April in Niedernhausen. Danach wird voraussichtlich auf Bundesebene ­weiterverhandelt.


Foto: privat

4 Fragen an …

Maja Schweigert

Die Jugend- und Auszubildendenvertreterin bei Merck in Darmstadt zu den Chemie-Tarifverhandlungen.

Maja, du bist Mitglied der Tarifkommission. Wie schätzt du die Situation ein?

Ich glaube, dass diese Tarifrunde schwierig werden kann. Auf der einen Seite ist die wirtschaftliche Lage nicht gerade rosig. Das merkt man auch in vielen Unternehmen. Andererseits schlägt bei uns Beschäftigten die Inflation voll zu. Deshalb brauchen wir einfach mehr Geld.

Was ist für die Auszubildenden wichtig?

Für Auszubildende ist die chemische Industrie immer noch sehr attraktiv. Trotzdem wird in den kommenden Jahren Fachkräftemangel herrschen. Deshalb müssen wir schauen, dass die Branche auch weiter attraktiv bleibt. Geld ist da nicht der einzige Faktor aber ein wichtiger. Bei uns in Darmstadt sind die Mietpreise inzwischen auf Frankfurter Niveau. Da ist es für Azubis schwer, eine Wohnung zu finden, die sie ­bezahlen können.

Wie ist die Forderungsempfehlung des Hauptvorstands in der Jugend angekommen?

Wir haben intensiv darüber diskutiert und in den Bezirken Umfragen gemacht: Ist euch mehr Geld wichtig, oder wäre mehr Freizeit sinnvoller? Das Ergebnis war sehr durchmischt. Die eine Hälfte hat sich eine bessere Bezahlung gewünscht, die andere mehr Urlaub trotz der finanziellen Lage. Es gibt aber auch noch ganz andere Sorgen: Werde ich nach der Ausbildung übernommen? Kann ich überhaupt in dem Beruf arbeiten, den ich gelernt habe?

Was erhoffst du dir von der ­Tarifrunde?

Dass die Arbeitgeber den Ernst der Lage für die Arbeitnehmenden verstehen. Und dass wir die Jugend bei den Verhandlungen nicht vergessen, sondern dass sie ein besonderes Gewicht bekommt. Die Ausbildungsvergütungen sollten erhöht werden, dafür werde ich mich einsetzen.


Beschäftigte arbeiten in der Chemie- und Pharmaindustrie in Hessen.