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Arbeitgebercheck

Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

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Noch viel zu tun

Text Katja Pflüger

Vor mehr als 30 Jahren trat die heutige Wismut GmbH ein schweres Erbe an – das Unternehmen musste sich abrupt vom Uranproduzenten zum Sanierungsunternehmen umstellen. Veränderungen, die nicht nur in der Natur ihre Spuren hinterlassen haben. Ein Blick auf ein Unternehmen zwischen Bergbautradition und Innovation.

Wismut

Es ist ein brisantes Erbe der DDR-Zeit: Unter strengster Geheimhaltung gegenüber dem Westen förderte die Sowjetunion durch die SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Wismut zwischen 1946 und 1990 an zahlreichen Standorten in Sachsen und Thüringen mehr als 200.000 Tonnen Uran. Die DDR war damit der viertgrößte Uranproduzent der Welt – hinter der UdSSR, den USA und Kanada. Hunderttausende Männer und Frauen haben in den 45 Jahren für die Wismut gearbeitet – in den Anfangsjahren unter schwersten körperlichen Arbeitsbedingungen. In den 1970er- und 1980er-Jahren hatte das Unternehmen eine Stammbelegschaft von rund 45.000 Beschäftigten. Mit der deutschen Einheit wurde 1990 der Uranerzbergbau zügig eingestellt. Zurück blieben 1.500 Kilometer offene Grubenbaue, 311 Millionen Kubikmeter Haldenmaterial und 160 Millionen Kubikmeter radioaktive Schlämme in dicht besiedelten Gebieten. Mitte 1991 stieg die UdSSR als Eigner aus. Das war die Geburtsstunde der heutigen Wismut GmbH. Die Wismut ging vollständig in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland über, beauftragt mit der Sanierung und der Renaturierung der durch den Uranabbau geschädigten Regionen.

Gründung 1991 (Nachfolgeunternehmen der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut, 1954 gegründet)

Sitz Chemnitz

Rechtsform GmbH (mitbestimmt)

Gesellschafter Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Budget (2022) 127,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt

Beschäftigte circa 800 an vier Standorten

Arbeitsumgebung

Die Wismut lockte nach Kriegsende Zehntausende Arbeitskräfte mit märchenhaften Löhnen in den Uranbergbau. Die gut bezahlten Jobs kurbelten das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft im Vogtland und im Erzgebirge mächtig an. Und auch heute noch leistet man mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an kleinere und mittlere Unternehmen aus der Gegend einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Region.
Die Stilllegung des aktiven Bergbaus nach der Wende ging mit einem enormen Beschäftigtenabbau einher. An den vier Standorten arbeiten heute kaum noch Bergleute, sondern Sanierungsarbeiter*innen, Ingenieur*innen, Laborant*innen, technisches Personal, Mechaniker*innen, Elektriker*innen und administrative Angestellte. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Sicherung von Schächten und Grubenbauen, die Wasseraufbereitung, die Demontage und der Abriss kontaminierter Anlagen und Gebäude sowie Sanierung und Renaturierung von Halden und Schlammteichen. Hinzu kommt ein weites Messnetz zur Überwachung und Kontrolle.
Einmal im Jahr findet in Ronneburg der „Tag der Umwelt“ statt. An diesem Tag präsentiert sich das Unternehmen der Öffentlichkeit und stellt die Fortschritte seiner Arbeit vor. Transparenz gegenüber Anwohnerinnen und Anwohnern wird großgeschrieben.

Betriebsklima

Die Bergbauvergangenheit ist immer noch allgegenwärtig, bergmännische Werte werden aktiv gefördert und hochgehalten. Viele Beschäftigte engagieren sich neben ihrer Arbeit in bergmännischen Traditionsvereinen, zu denen das Unternehmen einen engen Kontakt pflegt. Besonders wichtig ist dem Arbeitgeber der Arbeits- und Gesundheitsschutz: Ein Arbeitssicherheitsausschuss führt regelmäßig Gefährdungsbeurteilungen durch. Spezielle Schutzkleidung bewahrt die Kolleginnen und Kollegen, die mit kontaminiertem Material in Berührung kommen könnten, vor gesundheitlichen Schäden. Hinzu kommen Gesundheitstage, Massagen, Laufgruppen und Yoga.
Das Unternehmen wirbt mit einer „familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik“, die die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben aktiv fördert. Allerdings stehen spezielle Angebote, wie die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten, größtenteils nur den Angestellten in den Büros offen. Die gewerblichen Beschäftigten, die mit den Kernsanierungsaufgaben betraut sind, können nicht ins Homeoffice.
Die Zusammenarbeit zwischen Führungsebene und Beschäftigten ist größtenteils wertschätzend. Man spricht miteinander, nicht übereinander. Ab und an gibt es auch Knackpunkte, zum Beispiel bei der Altersteilzeitregelung, bei der es viel Diskussionsbedarf in Sachen Auslegung und Umsetzung gab.

Mitbestimmung

Seit der ersten Stunde der Wismut GmbH wird die Mitbestimmung aktiv gelebt. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmervertretungen und Unternehmensleitung läuft im Großen und Ganzen reibungslos. Der Betriebsrat wird frühzeitig in Veränderungsprozesse eingebunden. Parallel zum Rückgang der Beschäftigtenzahlen wurden im Jahr 2014 die Standortbetriebsräte aufgegeben. Seither kümmert sich nur noch ein gemeinsamer Betriebsrat um die Belange aller Beschäftigten. Das 13-köpfige Gremium setzt sich dementsprechend auch aus Frauen und Männern von allen vier Standorten zusammen. Betriebsversammlungen werden regelmäßig im Beisein des Geschäftsführers durchgeführt eine Beteiligung der IGBCE ist ausdrücklich erwünscht. Außerdem können sich die Beschäftigten in Chemnitz, Ronneburg und Königstein mit ihren Anliegen an Vertrauensleutekörper wenden. Die Gewerkschaft hat neben drei weiteren Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern einen festen Sitz im neunköpfigen Aufsichtsrat.
Für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Personen gibt es zudem eine vierköpfige Schwerbehindertenvertretung (SBV), die sehr eng mit der Verantwortlichen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (vom Arbeitgeber bestellt) und dem Betriebsrat zusammen­arbeitet.

Tarifbindung

Das Sanierungsunternehmen unterliegt dem Manteltarifvertrag Erzbergbau. Die Entgelttabelle wurde zum letzten Mal vor mehr als zehn Jahren (2012) erheblich überarbeitet. Seither herrscht ein Lohnniveau, das sich an den öffentlichen Dienst anlehnt. 39-Stunden-Woche, 30 Tage Urlaub, Weihnachtsgeld das sind nur einige tarifliche Leistungen, von denen die Beschäftigten profitieren. Außerdem erhalten sie jährlich eine Urlaubsbeihilfe – eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, die aber jederzeit wegfallen könnte. Für Schichtarbeit und die Arbeit an Sonn- und Feiertagen werden Zuschläge gezahlt. Eine Besonderheit ist die Freistellungsregelung für Gewerkschaftsmitglieder: Sie werden bezahlt freigestellt, um etwa an Tarifverhandlungen, Beratungen der Tarifkommission oder Bildungsveranstaltungen teilzunehmen.
Das Unternehmen hat zwar ein eigenständiges Tarifwerk mit der IGBCE verhandelt. Die Tarifkommission muss sich aber regelmäßig mit dem Arbeitgeberargument auseinandersetzen, dass man sich in vielen Dingen am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) orientiert.

Zukunftsfähigkeit

Auch wenn schon viel geschafft ist, die Sanierungsaufgaben in Mitteldeutschland werden noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Klar, die Halden- und Flächensanierungen werden irgendwann abgeschlossen sein. Was bleibt, sind Langzeitaufgaben wie Wasseraufbereitung und Überwachung. Für diese braucht das Unternehmen weiterhin fachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Doch auch die Wismut kämpft mit dem Fachkräftemangel; die Belegschaft altert. In den kommenden Jahren werden viele Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen. Eigenen Nachwuchs bildet das Unternehmen schon seit gut fünf Jahren nicht mehr aus, was die Besetzung offener Stellen deutlich erschwert. Gerade bei den handwerklichen Berufen sind Fachkräfte in der Region rar gesät, denn auch namhafte Konkurrenten wie VW, Siemens oder IBM buhlen um dieses fachkundige Personal. Hinzu kommt, dass viele junge Leute im gewerblichen Bereich nur noch befristet eingestellt werden. Das schreckt zusätzlich ab.
Als Gastgeber des jährlich stattfindenden internationalen Bergbausymposiums „Wissym“ treibt das Unternehmen Themen wie Innovationen in der Bergbausanierung, grüne Transformation, Technologieentwicklung und Ressourceneffizienz im ­Bergbau voran.

Das sagt die Wismut

Das Unternehmen hat die Anfragen von Profil bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen und keine Stellung bezogen.

Unser Fazit

Als Bundesunternehmen muss sich die Wismut nicht dem Wettbewerb um Aufträge und Kunden stellen. Der feste Budgetrahmen gibt der Unternehmensleitung Planungs- und den Beschäftigten Jobsicherheit. Sie verrichten Sanierungstätigkeiten oder forschen an modernen Projekten. Hier treffen Bergbautradition und Innovation aufeinander.
Gutes Personal zu finden ist aber auch hier ein Thema. In Sachen Fachkräfte steht das Unternehmen durchaus im Wettbewerb mit der privatwirtschaftlichen Konkurrenz. Die Suche nach geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird durch befristete Arbeitsverträge und die Entscheidung, dass seit fünf Jahren kein eigener Nachwuchs mehr ausgebildet wird, erschwert. Als Staatsunternehmen ist das ein eher schlechtes Vorbild.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.