Offen reden
Sie sind erste Ansprechperson im Betrieb und oft Motor für Veränderungen: gewerkschaftliche Vertrauensleute. Ab März werden die neuen Gremien gewählt.
Die kommenden Monate werden spannend: Die Chemie-Tarifverhandlungen stehen vor der Tür. Für die Vertrauensleutekörper in den Betrieben des Landesbezirks wohl die intensivste Zeit ihrer vierjährigen Wahlperiode. „Wir können direkten Einfluss nehmen, indem wir ein Mitglied für die Tarifkommission entsenden. Darüber hinaus wird unser Gremium eigene Forderungsempfehlungen formulieren, die in den Forderungsbeschluss auf Landesbezirksebene einfließen“, erläutert Tanja Penkwitt, stellvertretende Vorsitzende des Vertrauensleutekörpers von Albemarle in Langelsheim. „Danach sind wir gefragt, die Informationen aus den Verhandlungen an die Belegschaft zurückzugeben und, wenn nötig, Betriebsaktionen zu organisieren.“
Die 35-jährige Chemikantin blickt gespannt auf ihre erste Tarifrunde, die sie als Vertrauensfrau begleitet. Nach 17 Jahren in allen Schichtsystemen kennt sie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen persönlich – und diese sie. Eine gute Voraussetzung für das Engagement als Vertrauensfrau. Wichtig findet Tanja Penkwitt, zuzuhören, wo der Schuh drückt, und auch die scheinbar kleinen Dinge ernst zu nehmen. Denn häufig verbergen sich dahinter größere Probleme. „Es liegt dann in unserer Verantwortung, dranzubleiben und sie an die entsprechenden Stellen – Vorgesetzte, Geschäftsführung oder Kolleginnen und Kollegen – heranzutragen.“
Die Vertrauensleute von Vishay Siliconix um Christian Mönch haben ihre ersten Haustarifverhandlungen beim Halbleiterkonzern am Standort Itzehoe gerade hinter sich. Mit gutem Ergebnis: Ab 2024 erhalten die rund 500 Beschäftigten erstmals Weihnachtsgeld, das bis 2026 auf die Höhe eines vollen Monatsgehalts angehoben wird. Als Mitglied der Tarifkommission saß der 51-jährige Anlagenführer am Verhandlungstisch und hat mit dem Arbeitgeber „auf Augenhöhe verhandelt“. Er ist stolz darauf, für die Kolleginnen und Kollegen „so viel erreicht zu haben“. Schließlich waren sie es, die das Gremium mit den Verhandlungen beauftragt haben. „Das zeigt ihnen noch einmal die Bedeutung des Vertrauensleutekörpers.“ Der wurde erst vor zwei Jahren auf Initiative des langjährigen Betriebsrats gewählt. Durch den guten Abschluss, so hofft er, melden sich weitere Freiwillige für das Ehrenamt. Denn nach den Wahlen werden zwei weitere Forderungen der Mitglieder verhandelt, „dicke Bretter“, so Christian Mönch: Arbeitszeitverkürzung und ein neues Entgeltgitter.
Das zeigt ihnen noch einmal die Bedeutung des Vertrauensleutekörpers.
Christian Mönch
Beim Entsorgungsunternehmen Remondis Industrie Service in Bramsche ist ein Vertrauensleutekörper noch Zukunftsmusik. Maik Sokoliß ist jedoch fest entschlossen, ein Gremium zu gründen. „Wir brauchen einen besseren Informationsfluss zwischen Arbeitgeber, Vorgesetzten und Beschäftigten“, ist der 52-jährige Hofwart überzeugt. Zwar übernehme der Betriebsrat viele Aufgaben der Vertrauensleute, doch in speziellen Fragen wie Stellenumbesetzungen seien ihm aufgrund seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit die Hände gebunden. Da könne eine Vertrauensperson die Kolleginnen und Kollegen enger begleiten. Auch die zahlreichen Integrationsmitarbeitenden bei Remondis bräuchten mehr persönliche Unterstützung. Von der Notwendigkeit dieser gewerkschaftlichen Ansprechpartnerinnen und Anprechpartner im Betrieb versucht Maik Sokoliß nun seine Kolleginnen und Kollegen in zahlreichen Gesprächen zu überzeugen. Erste Interessierte hat er bereits gewonnen. „Wir sind gewerkschaftlich gut aufgestellt, haben einen guten Organisationsgrad“, so der Gewerkschafter. „Viele schreckt jedoch der Arbeitsaufwand ab.“ Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Amt müsse seiner Meinung nach außerdem gegeben sein: „Für Duckmäuser und Jasager ist das nichts. Man muss den Mut haben, den Mund aufzumachen!“