„Mobiles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben“
Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Erkenntnis der Studie?
Mobiles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben. Es geht nicht wieder weg. Das ist keine Überraschung, schlägt sich in den Studienergebnisse aber noch einmal deutlich nieder. Und wenn man Beschäftigte fragt, wünschen sie sich immer noch mehr mobile Arbeit. Schon jetzt zeigt sich aber, dass mobile Arbeit mittel- bis langfristig etwas mit dem Betrieb als sozialer Gemeinschaft macht und der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen weniger wird. Dabei geht es nicht nur um die sozialen Aspekte, sondern auch um die Bindung an das Unternehmen, Wissensaustausch oder gemeinsame Innovationsfähigkeit.
Hat Sie als Expertin für mobile Arbeit bei den Studienergebnissen etwas überrascht?
Dass Beschäftigte besonderen Belastungen ausgesetzt sein können, wenn sie mobil arbeiten, ist immer wieder zu sehen. Interessant ist aber, dass sich immer mehr zeigt, dass die hohe Arbeitsbelastung nicht auf den Arbeitsort – also zu Hause – zurückzuführen ist, sondern darauf, dass sie beziehungsweise wir alle immer mehr in virtueller Kollaboration zusammenarbeiten. Eine Vielzahl digitaler Meetings am Tag sind nicht unbedingt eine gute Art, den Arbeitstag zu gestalten. Die Belastung hängt also am Einsatz der Tools wie Teams, Zoom und Skype und nicht daran, dass die Arbeit von daheim gemacht wird. Dieser Stress ist bei jemandem, der jeden Tag ins Büro fährt, potenziell genauso da. Das Problem ist eher, dass wir uns durch die Nutzung der digitalen Anwendungen eine andere Taktung unserer Arbeitsweise angewöhnt haben.
Wo gibt es Ihrer Ansicht nach konkreten Handlungsbedarf?
Wir sehen die Notwendigkeit, etwas dafür zu tun, dass Leute sich wohlfühlen, füreinander einstehen und auch bei Problemen einigermaßen reibungslos miteinander arbeiten können. Das entsteht nicht einfach so, das kann man nicht verordnen. Das kommt nur durch gemeinsame Erfahrungen und erfordert von allen Beteiligten eine Einsicht, dass sie dazu einen Beitrag leisten müssen. Beschäftigten sollte es nicht nur darum gehen, die Work-Life-Balance zu verbessern, sondern sie sollten auch im Kopf haben: Ich bin Teil eines größeren Ganzen und ich fahre heute auch deshalb ins Büro, um die anderen persönlich zu sehen; auch wenn ich vielleicht eine halbe Stunde im Stau stehe. Das ist es, was die Aufgabe für alle Beteiligten etwas mühsam macht: Die Arbeitswelt müssen wir gemeinsam gestalten. Mobile Arbeit einfach laufen zu lassen und sich nicht darum zu kümmern, das birgt die Gefahr sozialer Erosion. Alle müssen aktiv miteinander darüber nachdenken und sich damit auseinandersetzen: Wie machen wir die gemeinsame Arbeit vor Ort interessant und relevant? Da müssen Führungskräfte mitarbeiten, dafür müssen aber auch die einzelnen Beschäftigten etwas tun. Das ist gemeinsame Verantwortlichkeit.
Was glauben Sie, wie wird sich mobile Arbeit in Zukunft entwickeln?
In Zukunft wird es darum gehen, in gemeinsamer Verantwortung abzuwägen, wie viel Präsenz wir brauchen. Wir müssen folgende Fragen beantworten: Was machen wir wo? Was machen Menschen, wenn sie daheim arbeiten? Was, wenn sie ins Büro kommen? Und sind die Büroumgebungen, die wir in den Unternehmen haben, dafür geeignet? Ins Büro zu kommen, nur damit man dahingefahren ist, um anschließend acht Stunden in Videokonferenzen zu versinken, ergibt wenig Sinn. Das ist klar. Es wird darum gehen, zu überlegen, wie Beschäftigte die Zeiten vor Ort im Betrieb gut nutzen können, um einen entsprechenden Mehrwert zu haben, zum Beispiel durch ausgedehnte Brainstormings, kreative Zusammenarbeit oder um in Ruhe kritische Themen zu besprechen. Hierfür sind auch entsprechend ausgestaltete Büroflächen erforderlich.
Zur Person: Dr. Josephine Hofmann, Autorin der Sozialpartnerstudie „Mobile Arbeit“, leitet seit 18 Jahren das Team „Zusammenarbeit und Führung“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart und forscht zu den Themen Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Die studierte Informatikerin und Betriebswirtschaftlerin ist an verschiedenen Universitäten und Hochschulen als Dozentin tätig.