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Vor Ort: Hessen-Thüringen
Darmstadt
AppliChem: Zwei Tage Streik
Am 4. und 5. September stand bei AppliChem in Darmstadt nahezu die gesamte Produktion. Die IGBCE hatte zum Streik aufgerufen, da sich AppliChem weiterhin weigert, einen Tarifvertrag in Anlehnung an den Flächentarifvertrag für die Chemische Industrie einzuführen.
Pünktlich um 7.30 Uhr am Montag begann der Streik. Vor dem Firmengelände postierte sich eine Streikwache, stellte Fahnen auf und rollte Transparente auf. „Dieser Betrieb wird bestreikt“, war direkt neben einem der Firmenschilder zu lesen. Insgesamt rund 40 von etwa 70 Beschäftigten am Standort arbeiteten nicht. Etwas später besuchte Landesbezirksleiterin Sabine Süpke die Streikenden.
Mit dem mehrtägigen Streik ging der Konflikt in die nächste Runde. Vorangegangen waren ein drei- und ein vierstündiger Warnstreik, die das Unternehmen aber nicht zum Einlenken gebracht haben.
Auch am zweiten Tag war die Stimmung unter den Streikenden gut. Gleichzeitig waren sich die Beschäftigten bewusst, wie ernst die Lage ist. Für den Nachmittag stand ein Autokorso auf dem Programm. Unter Polizeischutz fuhren rund 25 Autos los, hupend und dekoriert mit IGBCE-Fahnen. Vor dem Werksgelände von Merck hatten sich Betriebsratsmitglieder und IGBCE-Vertrauensleute versammelt, schwenkten IGBCE-Fahnen und bliesen in Trillerpfeifen. Bei der Abschlusskundgebung sagte Bezirksvorstandsvorsitzender Manfred Koch: „Es ist unverständlich, dass es Unternehmen gibt, die gute Arbeit nicht wertschätzen. Ihr müsst weitermachen, bis ihr das bekommt, was ihr verdient.“
Borken
Delegierte fordern Brückenstrompreis
5 Delegierte aus den Betrieben und Ortsgruppen des Bezirks Kassel, mit Gästen rund 70 Personen, haben sich zur Bezirksdelegiertenkonferenz getroffen. Anlass waren Nachwahlen. Bezirksvorstand, Bezirksfrauenausschuss und Bezirksjugendausschuss legten Rechenschaft ab: Arbeitsschwerpunkte waren etwa Aktionen zur Gestaltung der Transformation, wie in Form des Projekts Werra 2060, das die Zukunft der Kaliindustrie bis über das Jahr 2060 hinaus sichern soll. Der Ukraine-Krieg stellte den Bezirk vor besondere Herausforderungen: Mehrere große Energieunternehmen sitzen in Kassel.
Nach den Einschnitten durch Corona blickten die Teilnehmenden positiv auf die wieder stattfindenden Veranstaltungen zurück: ob Bildungsveranstaltungen und betriebliche Aktionen oder das traditionelle Neujahrstreffen in Schenklengsfeld mit rund 800 Besucherinnen und Besuchern. Stolz ist man auch auf das neue gewerkschaftliche Sommerfest im Freilichtmuseum „Themenpark Kohle und Energie“ in Borken. Die Teilnehmendenzahl von 400 aus dem Jahr 2022 hatte sich in 2023 auf 800 verdoppelt.
Nach einem Vortrag von Alexander Bercht vom geschäftsführenden IGBCE-Hauptvorstand diskutierten die Delegierten mit ihm das Thema Brückenstrompreis. Dazu beschlossen sie eine Resolution. Bis zu 22.000 Arbeitsplätze seien in Nordhessen direkt gefährdet, heißt es darin.
Nidda
Papierfabrik vorerst gerettet
Die drohende Schließung der Spezialpapierfabrik in Nidda Ober-Schmitten ist erst einmal vom Tisch. „Wir haben immer gesagt, dass der Betrieb überlebensfähig ist“, sagt Alexander Wiesbach, Gewerkschaftssekretär im Bezirk Mittelhessen. „Wichtig ist nun, dass der neue Eigentümer ein tragfähiges Konzept für die Zukunft entwickelt und in den Standort investiert. Das werden wir als Gewerkschaft genau beobachten.“
Der Betrieb heißt nun „Ober-Schmitten Paper“. Der neue Eigentümer des bislang zum Glatfelter-Konzern gehörenden Werks ist die İŞ Holding aus Istanbul, hinter der der Unternehmer İlkem Şahin steht. Die İŞ Holding ist in dem Segment Papierproduktion ein neuer Akteur in Deutschland. In der Türkei ist die Gruppe in einer Vielzahl von Geschäftsfeldern aktiv, bislang allerdings nicht im Bereich Papier.
Der Verkauf kam überraschend für die Beschäftigten. „Wir freuen uns, dass es weitergeht“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Arif Tantürk. „Wir haben für den Erhalt unseres Betriebs gekämpft. Nun stehen wir bereit, um den neuen Eigentümer mit unserer Fachkompetenz zu unterstützen.“ In die Verhandlungen waren IGBCE und Betriebsrat nicht eingebunden. „Wir hätten uns mehr Transparenz gewünscht“, sagt Wiesbach.
Bei einer Betriebsversammlung hat sich İlkem Şahin bereits vorgestellt und eine gute Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Gewerkschaft versprochen. Alexander Wiesbach: „Wir werden ihn beim Wort nehmen.“
Frankfurt
Mehr Fachkräfte durch Ausbildung
Wie lässt sich Fachkräftemangel in der Chemie- und Pharmaindustrie durch Ausbildung beheben? Mit dieser Frage haben sich die 13 Teilnehmenden eines Design-Thinking-Workshops beim Bildungsdienstleister Provadis beschäftigt. Gemeinsam wollen der Arbeitgeberverband HessenChemie und die IGBCE Konzepte entwickeln, um Auszubildende zu gewinnen. Ziel ist es, alle angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen.
Eine digitale Plattform soll die Berufskoordinator*innen an den Schulen unterstützen. Darüber können sie Freiwillige aus Betrieben finden, die bereit sind, den Schülerinnen und Schülern bestimmte Themen vorzustellen. Inhalte stellen Arbeitgeberverband und IGBCE. Bei der Auswahl von Expert*innen aus den Betrieben sollen die Betriebsräte helfen. Weitere Schritte sind für Herbst geplant.
Sondershausen
Abschluss bei GSES
Zwei mal 120 Euro tabellenwirksame Entgelterhöhung – das hat die IGBCE für die Beschäftigten bei GSES Sondershausen ausgehandelt. Die Ausbildungsvergütungen werden in den Jahren 2023 und 2024 um je 40 Euro angehoben. Außerdem erhalten die Beschäftigen für das Jahr 2023 600 Euro Inflationsausgleichsprämie, für 2024 dann weitere 400 Euro. Azubisbekommen jeweils die Hälfte. Außerdem ist es gelungen, einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder zu vereinbaren: einen Tag mehr Urlaub pro Jahr. Der Tarifvertrag läuft 24 Monate.