News
Vor Ort: Nord
3 Fragen an …
Laura Pooth
Die Vorsitzende des DGB Nord über die politische Debatte um flexiblere Arbeitszeitmodelle.
Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wird heftig über flexiblere Arbeitszeitmodelle diskutiert. Worum geht es genau?
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, fordert die FDP-Fraktion unter dem Deckmantel einer Stärkung der Tarifbindung eine Bundesratsinitiative zur Anhebung der täglichen Arbeitszeit auf 13 Stunden. Als Reaktion darauf haben CDU und Bündnis 90/Die Grünen mit einem eigenen Antrag einen Dialog der Sozialpartner über flexiblere Arbeitszeitmodelle angeregt. Hintergrund ist auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung. Dies macht eine Überarbeitung des Arbeitsrechts notwendig.
Warum ist die Debatte so brisant?
Über die Fachkräftediskussion und mit dem Vorwand, eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen zu wollen, möchte die FDP an die Arbeitszeitregelungen heran. Wir aber sagen: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz. Es ist ein Gesetz zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und darf auch deshalb nicht aufgeweicht werden. Grundsätzlich stehen die Gewerkschaften jedoch für einen Dialog bereit, wenn es darum geht flexiblere Arbeitszeitmodelle auszuloten, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Ziel haben.
Was schlägt der DGB konkret vor?
Bewährtes Instrument zur Gestaltung von Arbeitszeitmodellen sind Betriebsratsvereinbarungen und Tarifverträge. Für die Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften sind attraktive Tariflöhne ein geeignetes Mittel. Die Branchen, die nun besonders laut klagen, haben hier oft Nachholbedarf, ebenso wie bei der Ausbildung. Es müssen Modelle gefunden werden, um die ungewollte Teilzeitbeschäftigung insbesondere von Frauen zu beenden. Auch können Arbeitssuchende und Migrant*innen mit Qualifizierung und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden.
Gewerkschaftsmitglieder aus dem Landesbezirk waren bei Kundgebungen zum 1. Mai.
Ibbenbüren
Jugend aktiv
Ihr Recht auf Bildungsurlaub kennen nur wenige Auszubildende. Um das zu ändern, hat der Bezirksjugendausschuss des IGBCE-Bezirks Ibbenbüren einen Infoflyer erstellt und ein kurzes Video gedreht. „Wir möchten erreichen, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre fünf Tage pro Jahr für Bildungsurlaub nutzen und die kostenlosen Angebote der IGBCE kennenlernen“, berichtet Anna Niermann, die gemeinsam mit ihrem BJA-Kollegen Jannis Rehbrock in dem Video auftritt. Auch die kaufmännische Angestellte aus Hilter erfuhr erst zum Ausbildungsende von dieser Möglichkeit, als sie einen Prüfungsvorbereitungskurs suchte. „Ich war begeistert von den privaten und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, die ein Bildungsurlaub bietet“, so die 25-Jährige, die einen weiteren Bildungsurlaub für den Erwerb des Ausbilderscheins genutzt hat. „Unsere Kampagne richtet sich nicht nur an die Jugend, sondern an alle“, sagt Gewerkschaftssekretär Niklas Bollmann, der die bezirkliche Jugendarbeit begleitet. „In einer schnelllebigen Welt ist Zeit für politische und persönliche Weiterbildung enorm wichtig.“ Das Video ist zu sehen unter youtu.be/B94mKQusAwIh.
Hamburg
Entschlossen gegen die Schließung
„Wir sind in Kampfstimmung!“ Diese Ansage richtet der Allnex-Betriebsratsvorsitzende Christian Wolf an die Adressen der Allnex-Holding und nicht zuletzt der Eigentümerin, der thailändischen PTTGC, einer Tochtergesellschaft des größten Energiekonzerns Thailands, der PTT-Gruppe. Denn erst im März hat die Unternehmensführung die 130 Beschäftigten auf einer Mitarbeiterversammlung mit der Ankündigung geschockt, das Wandsbeker Werk Mitte 2024 zu schließen. Laut Zeitungsberichten beabsichtigt Allnex, „die Produktionskapazitäten der sinkenden Nachfrage anzupassen“. Die in Hamburg hergestellten Flüssigharze für die Lacke- und Farbenindustrie wolle das Unternehmen künftig an seinen anderen Standorten in Europa produzieren.
„Das kam völlig unvermittelt, da wir hier immer profitabel waren“, kritisiert Betriebsratschef Wolf und kündigt an: „Wir werden es nicht hinnehmen, sondern um nichts weniger als den Erhalt unseres Werks kämpfen.“ Laut IGBCE-Betriebsbetreuerin Ute Sierck richten sich die Pläne des Konzerns „gegen einen Standort, der schwarze Zahlen schreibt, und gegen 130 Beschäftigte, die gute Arbeit leisten“. Bereits 2009 haben sich Betriebsrat und Beschäftigte erfolgreich gegen einen Kahlschlag gewehrt. Damals wie heute können sie dabei auf die volle Unterstützung durch die IGBCE zählen, betont Sierck.
Derzeit lässt sich die Verhandlungskommission der Arbeitnehmenden informieren und beraten. „Wir haben einen Sachverständigen beauftragt, der die vorgelegten Zahlen prüfen wird“, berichtet Wolf. Denn eines ist bereits ersichtlich: „Man zeigt uns Zahlen, die die Werksschließung begründen sollen, aber keine Zahlen, die das Bestehen des Werks untermauern.“ Die Argumentation des Arbeitgebers sei „sehr dünn“. „Nach dem Grundgesetzartikel ‚Eigentum verpflichtet‘ fordern wir, alle erdenklichen Maßnahmen zu prüfen, um den Standort und die Tarifarbeitsplätze zu sichern.“ Und der Betriebsratsvorsitzende kündigt weiter an: „Wir sind entschlossen, für die Zukunft aller hier am Standort Beschäftigten zu kämpfen.“
Flensburg
Mitsubishi-Standort gerettet
Die Schließung des Traditionsunternehmens ist vom Tisch. Mehr noch: „Wir konnten 200 Tarifarbeitsplätze in Flensburg retten“, berichtet Jan Wollatz, Betriebsratsvorsitzender der Mitsubishi HiTec Paper. Nachdem Anfang Februar die japanische Konzernzentrale mitgeteilt hatte, mit Quantum Capital Partners einen neuen Käufer für die Papierfabrik gefunden zu haben, hat dieser zugesagt, dass die Produktion am Standort weiterlaufen wird. Anfang April ist die für den Verkauf neu gegründete Gesellschaft dann dem Arbeitgeberverband beigetreten. Damit ist die Papierfabrik weiterhin tarifgebunden. „Unter den Kolleginnen und Kollegen macht sich große Erleichterung breit“, berichtet Wollatz. „Nun warten wir auf den Eigentümerwechsel.“ Den erwartet der Betriebsrat Anfang Juli.
Die japanische Konzernzentrale hatte im August letzten Jahres bekannt gegeben, sich aufgrund der hohen Energiepreise bis zum Jahresende vom Standort trennen zu wollen, was auf eine Schließung hinausgelaufen wäre. Doch es gelang der Flensburger Belegschaft mit ihrem engagierten Betriebsrat, sich gegen die Pläne aus Japan zur Wehr zu setzen. „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt“, sagt Jan Wollatz. „Wir haben auf Demos vor dem Werkstor Flagge gezeigt. Außerdem wurden wir intensiv vom IGBCE-Bezirk Schleswig-Holstein und unseren Anwälten unterstützt.“
Der zuständige Gewerkschaftssekretär Wolfgang Endling ergänzt: „Die japanischen Entscheider haben das deutsche Betriebsverfassungsgesetz unterschätzt. Eine Werksschließung und damit die Entlassung von 200 Beschäftigten ist hierzulande nicht so einfach möglich.“ Sozialplan, Interessenausgleich – diese Instrumente schützten Belegschaften bei derartigen Schnellschüssen. „Entscheidend war die starke gewerkschaftliche Organisation des Betriebes.“
Derzeit erarbeitet der Betriebsrat, unterstützt von der IGBCE, für die anstehende Betriebsänderung einen Interessenausgleich und gegebenenfalls einen Sozialplan. Endling weiter: „Das ist ein Faustpfand gegenüber Mitsubishi. Nur wenn die Bedingungen stimmen, werden die Beschäftigten in die neue Gesellschaft übertreten.“
Bremen
Modellregion Norddeutschland
Im Rahmen der Konferenz Norddeutschland forderten Vertreter*innen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften von den anwesenden Ministerpräsident*innen einen Masterplan für gute Arbeit und eine Modellregion für Energiewende und klimaneutrale Industrie, um den Beschäftigten Sicherheit im Wandel zu geben und die benötigten Fachkräfte zu sichern. „In der gemeinsamen Aktivität liegt die Kraft, den Norden zur Energieregion Nummer eins zu machen“, so Petra Adolph. Die stellvertretende Vorsitzende des IGBCE-Landesbezirks Nord plädiert für einen gemeinsamen Industrie- und Energiegipfel.
Wilhelmshaven/Neustrelitz
Treue Verbundenheit
Weil Heinz Krüger nach einem Unfall nicht persönlich zur Jubilarehrung der Ortsgruppe Wilhelmshaven/Friesland erscheinen konnte, sind der Vorsitzende Heinz Laue und Kollege André Scharf 500 Kilometer weit gefahren, um ihn „für seine 70-jährige Verbundenheit mit der Gewerkschaft“ auszuzeichnen.