Elektronisch oder nicht?
Arbeitszeit muss in Deutschland aufgezeichnet werden: Das ist seit Herbst klar. Nun stellte das Bundesarbeitsministerium einen Referentenentwurf vor, der besagt, dass Arbeitszeit überwiegend elektronisch erfasst werden soll. Was das bedeutet, erklärt dir Profil.
In vielen Unternehmen gilt in Sachen Arbeitszeit immer noch: Vertrauen geht vor Kontrolle. Die Beschäftigten sorgen selbst dafür, dass sie die vereinbarte Stundenzahl pro Woche einhalten. Doch das ist unzureichend, denn in Deutschland besteht eine gesetzliche Pflicht zur Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Das hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil im September 2022 entschieden und damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 bestätigt.
„Laut dem Urteil sind die Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen“, erklärt Peter Voigt, Leiter der Abteilung Rechtspolitik/Rechtsschutz der IGBCE. Die DGB-Gewerkschaften begrüßten damals die Entscheidung. Das Urteil sei ein wichtiger Schritt zu einer gerechten Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit. Denn Überstunden, Überlastung und Überforderung könnten mit einer verlässlichen Arbeitszeiterfassung eingedämmt werden.
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Bedeutung für Beschäftigte
Das plant das Ministerium
Basierend auf dem Urteil des BAG (Aktenzeichen: 1 ABR 22/21) hat das Bundesarbeitsministerium im April einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt. Der Arbeitgeber soll dazu verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Die Daten müssen für zwei Jahre aufbewahrt werden und die Beschäftigten dürfen sie jederzeit einsehen.
„Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur elektronischen Arbeitszeiterfassungspflicht begrüßen wir als Gewerkschaft ausdrücklich. Nach unserer Auffassung sollte diese aber im Arbeitsschutzgesetz geregelt werden. Schließlich ist der Arbeitgeber verantwortlich für die Einhaltung des Arbeitsschutzes“, sagt Voigt. Die Aufzeichnung solle aber laut Gesetzentwurf auch durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst, etwa bei Vertrauensarbeitszeit, oder durch einen Dritten erfolgen können, zum Beispiel eine*n Vorgesetzte*n. Die Arbeitgeber müssten allerdings durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie zu Ruhezeiten bekannt werden. „Eine geeignete Maßnahme wäre beispielsweise eine Meldung aus dem elektronischen System bei Überschreiten der Arbeitszeit“, erklärt der Jurist.
Ausnahmen sind möglich
Arbeitgeber mit bis zu zehn Beschäftigten dürfen laut Gesetzentwurf die Arbeitszeit auch nicht elektronisch aufzeichnen. „Erfassen müssen sie diese aber trotzdem“, stellt Voigt klar. Gleiches gilt für Hausangestellte in Privathaushalten, etwa die Putzkraft, und ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte in Deutschland, die bis zu zehn Arbeitnehmer*innen nach Deutschland entsenden.
Ansonsten sind Ausnahmen nur in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen möglich – allerdings nur hinsichtlich der Form der Aufzeichnung (nicht elektronisch) oder des Tages der Aufzeichnung (bis zu sieben Tage nach der geleisteten Arbeit). Zudem können gewisse Arbeitnehmergruppen kollektivrechtlich von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen werden. Hierunter fallen etwa Personen, deren gesamte Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen, nicht im Voraus festgelegt oder von den Beschäftigten selbst festgelegt werden kann. Beispiele für diese Arbeitnehmergruppen sind Führungskräfte oder Forschende.
Allgemein soll es eine Übergangsfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes geben, in der die Arbeitszeiterfassung auch nicht elektronisch erfolgen kann. Für kleinere Betriebe bis 50 beziehungsweise 250 Mitarbeiter*innen beträgt diese fünf beziehungsweise zwei Jahre. Noch handelt es sich um einen Entwurf für das neue Arbeitszeitgesetz.