Vor Ort

Bayern

Aus für Dyneon?

Text Michael Kniess – Fotos Denis Lochte

Im Bayerischen Chemiedreieck kämpft die IGBCE um die Arbeitsplätze bei 3M Dyneon und um eine Produktionsstätte, deren Verlust weit über Bayern hinaus fatal wäre.

Wegen der angekündigten Werksschließung von Dyneon sind Tausende Jobs bedroht. IGBCE-Chef Michael Vassiliadis kritisierte bei einer Kundgebung vor rund 400 Beschäftigten (Fotos unten) die Pläne des Mutterkonzerns 3M.

Es war eine Hiobsbotschaft für die Beschäftigten und den gesamten Chemiepark Gendorf: Die vom Mutterkonzern 3M jüngst angekündigte Werksschließung von Dyneon hat über das Bayerische Chemiedreieck hinaus hohe Wellen geschlagen. Das US-Unternehmen, weltweit führend bei der Herstellung von Fluorkunststoffen, plant die Produktion von PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien) im Chemiepark Ende 2025 stillzulegen und sich von der PFAS-Sparte zu trennen. Auch einen Weiterverkauf von Fabrik, Patenten und Lizenzen für die so wichtige Herstellung von Fluorchemieprodukten zur Weiternutzung am Standort ist vom Konzern – Stand bei Redaktionsschluss – nicht angedacht.

Die Folge: Die Arbeitsplätze der 700 Beschäftigten und damit ihre berufliche Existenz sowie die Zukunft ihrer Familien sind akut gefährdet. Zudem hätte der Wegfall von Dyneon-Produkten Konsequenzen für den Chemiepark Gendorf in Gänze. Weitere Jobs könnten durch das Ausbleiben von Vorprodukten auf dem Spiel stehen. „Der gesamte Chemiepark als Verbundstandort könnte ins Wanken geraten“, zeigt sich Susanne Prause besorgt. „Etwa 4.000 Menschen arbeiten direkt im Chemiepark Gendorf, dazu kommen etliche Jobs im Umfeld, etwa bei Zulieferern und Dienstleistern.“ Die Gewerkschaftssekretärin aus dem IGBCE-Bezirk Altötting schätzt, dass bis zu 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr sein könnten.

Zukunft made in China?

Andreas Pilz,
Vertrauensleutevorsitzender

Ein Verlust der Produktionsstätte hätte aber auch weit über die bayerischen Grenzen hinaus eine fatale Wirkung und würde zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Denn PFAS besitzen besondere technische Fähigkeiten und sind deshalb meist alternativlos. Sie werden für die Produktion von Batterien gebraucht, aber auch zur Energieerzeugung, für Windräder und Mikrochips. „Die Stilllegung der Produktion bei Dyneon hat einen Effekt auf einen riesigen Verbund von Industrien in Deutschland und ganz Europa“, gibt der Dyneon-Betriebsratsvorsitzende Peter Engel zu bedenken. „Wir sind alle abhängig voneinander. Die Schließung könnte eine Kettenreaktion auslösen, und das hätte fatale Folgen für die Transformation und den Industriestandort Deutschland.“

Darauf weist der IGBCE-Bezirk Altötting seit Ankündigung der Schließungspläne immer wieder lautstark gemeinsam mit zahlreichen Unterstützer*innen hin. Mitte Februar sind dafür zuletzt wichtige Akteur*innen aus IGBCE, Politik und Wirtschaft vor Ort zusammengekommen. Im Rahmen einer Kundgebung wurden unter dem Motto „Zsammhalten“ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zum Schulterschluss aufgefordert.

Bei einem Besuch bei Wacker im Bayerischen Chemiedreieck hat sich auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam mit Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE, ein Bild von der Lage gemacht. Im Gespräch verwiesen die deutschen Vertreter von 3M auf die Pläne zur strengeren Regulierung von PFAS unter anderem innerhalb der EU. Diese seien schuld am Rückzug. Deshalb wolle der US-Konzern, trotz Marktführerschaft und modernster Anlagen, seine weltweite Produktion komplett einstellen.

Schließung wäre fatal.

Peter Engel,
Betriebsratsvorsitzender

Auch Arbeitsminister Hubertus Heil informierte sich über die Lage.

Von Hubertus Heil und Michael Vassiliadis erntete die Unternehmensführung dafür scharfe Kritik. In einem gemeinsamen Appell forderten sie beide dazu auf, ernsthaft über einen Verkauf von Anlagen und Patenten zu diskutieren. Das lehnt das Unternehmen mit Verweis auf mögliche zukünftige Klagen gegen die chemischen Produkte – selbst bei Verkauf – ab. Eine Erklärung, mit der sich Michael Vassiliadis nicht zufriedengab. „Was ich da heute gehört habe, nehme ich 3M nicht ab“, monierte er bei der Kundgebung vor rund 400 Dyneon-Beschäftigten. Der Konzern müsse sich endlich seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stellen. Vassiliadis kündigte unter großem Applaus an, gemeinsam mit Hubertus Heil das Gespräch mit der US-Muttergesellschaft zu suchen: „Wenn es sein muss, fliegen wir da auch hin und reden persönlich mit den Verantwortlichen.“

Heil betonte ebenfalls, dass die Bundesregierung alles daransetzen werde, den Standort zu halten. Für den Erhalt einer Schlüsselindustrie im Bayerischen Chemiedreieck wird auch der IGBCE-Bezirk Altötting alles tun und weiter mobilisieren.

Eine Alternative? Gibt es nicht, meint auch Andreas Pilz, Vertrauensleutevorsitzender bei Dyneon: „Wenn wir die Fluorkunststoffe hier in Gendorf nicht produzieren, kommt unsere Zukunft aus China. Wollen wir das wirklich?“


PFAS: Wichtig für Industrie und Alltag

Die Industriechemikalien PFAS besitzen besondere technische Eigenschaften. Deshalb ist ihr Einsatz bisher meist alternativlos. Sie werden unter anderem für die Produktion von Batterien gebraucht, in der Energieerzeugung, zum Bau von Windrädern oder bei der Fertigung von Mikrochips. Der Beschränkungsvorschlag von PFAS, auf den sich 3M in seiner Argumentation bezieht, resultiert aus der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit der EU-Kommission. Demnach sollen PFAS umfassend beschränkt und in einer zu regulierenden Stoffgruppe zusammengefasst werden. Kritiker*innen der Strategie befürworten stattdessen eine differenzierte Risikobewertung, abhängig vom Gefährdungspotenzial der tatsächlichen Substanzen – mit dem Ziel, den Konflikt zwischen der Vorsorge für Mensch und Natur und der Weiterentwicklung hin zur Klimaneutralität zu reduzieren.