Pure Profitgier?
Eigentlich müsste Armacell stolz darauf sein, ein profitables Werk im eher industrieschwachen Allgäu zu besitzen. Doch der Armstrong-Konzern will den Standort nach fast 50 Jahren dichtmachen. Eine in sich schlüssige Begründung lieferte er bis dato nicht.
Seit fast 50 Jahren befindet sich in Friesenhofen, einem Stadtteil von Leutkirch im Allgäu, das heutige Armacell-Werk. Der Betrieb stellt Isolierungen für Rohrleitungen her, vorwiegend für Heizungsrohre. „Ein hochprofitables Werk, das einen sehr hohen Gewinn abwirft“, weiß die Betriebsratsvorsitzende Elke Huber. Seit 32 Jahren arbeitet sie hier, kennt den Betrieb aus dem Effeff. Doch was Ende Oktober die Unternehmensspitze entschied, scheint ein Musterbeispiel dafür zu sein, wie soziale Marktwirtschaft eben nicht funktionieren soll. Denn: Für die rund 100 Beschäftigten hier soll im dritten Quartal dieses Jahres für immer Schluss sein. Der Arbeitgeber will Maschinen und Arbeitsplätze in den Unternehmenssitz nach Münster verlagern. „Diese Entscheidung kann hier niemand in der Belegschaft nachvollziehen“, berichtet Huber, die als nicht freigestellte Betriebsratsvorsitzende nah am Ohr ihrer Kolleg*innen arbeitet. Bei einer Distanz von 657 Kilometern verwundert es nicht, dass, laut dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Kevin Noch, „nur eine Handvoll Leute dieses Angebot annehmen will und auch nur dann, wenn die Bedingungen wirklich passen“. Gewerkschaftssekretär Markus Wimmer kritisiert das Vorgehen von Armacell scharf: „Laut Betriebsverfassungsgesetz hätte das Unternehmen sehr viel früher den Gesamtbetriebsrat über diesen Schließungsplan informieren müssen.“
Nichts ist nachvollziehbar.
Elke Huber,
Betriebsratsvorsitzende
Ende Januar machten deshalb viele Mitarbeiter*innen auf dem Werksgelände ihrem Unmut Luft (Foto oben). Noch immer kritisiert der Betriebsrat einen mangelhaften Informationsfluss. Zudem scheint Armacell widersprüchlich zu agieren: Einerseits will man Kräfte in Münster bündeln, andererseits kaufte das Unternehmen Ende vergangenen Jahres einen österreichischen Hersteller von Rohrisoliersystemen. „Wie passt das zusammen?“, fragt sich Elke Huber. Darüber hinaus liegen dem Betriebsrat Indizien vor, dass Armacell entgegen seiner ursprünglichen Aussage wohl doch nicht alle Beschäftigten nach Münster mitnehmen möchte. „Ein Wortbruch“, attestiert sie.
Verhandeln den Sozialplan mit: IGBCE-Sekretär Markus Wimmer mit den Friesenhofer Betriebsrät*innen Elke Huber, Kevin Noch und Vanessa Bickel (von links).
In solarthermischen Anlagen verbinden solche vorisolierten Leitungen Sonnenkollektor und Pufferspeicher. Künftig will Armacell diese in Münster produzieren.
Inzwischen steht der Zeitplan für die Verhandlungen um einen Interessenausgleich. Die ersten Gespräche fanden Ende Februar statt. Markus Wimmer berichtet, dass der Gesamtbetriebsrat ein Alternativkonzept mit Kosteneinsparungen vorgelegt habe. „Wenn das der Arbeitgeber ernsthaft prüft und umsetzt, besteht eine reelle Chance, das Werk mit allen seinen Vorteilen zu erhalten. Das wäre eine Win-win-Situation für die Beschäftigten und den Armacell-Konzern“, so der Gewerkschafter.
Nachvollziehen kann Elke Huber die beabsichtigte Werksschließung bis heute nicht. „Alle Welt redet vom Fachkräftemangel. Hier arbeiten Menschen mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 16 Jahren.“ Sie spekuliert: „Maximaler Profit scheint der amerikanischen Konzernspitze offensichtlich wichtiger zu sein.“
